THE LAST MISSION OF HANS-JOACHIM MARSEILLE

Um 10.47 Uhr startet er mit acht Maschinen seiner Staffel. Hochschutz für Stukas, anschliessend freie Jagd. Zehn Maschinen der III./JG53 sind für den direkten Begleitschutz angesetzt, die III./JG27 mit 15 Messerschmitt übernehmen den indirekten Schutz. Die Gruppe bekommt bald darauf Luftkampf mit vier Spitfire, wobei Schröer und Krainik je eine herunterholen.

Vom Geschwadergefechtsstand aus leitet Kommodore Neumann die Staffel Marseilles über Funksprech an einen britischen Jagdverband heran, der südlich Imayid mit Westkurs fliegt. Als sich die Messerschmitt nähern, verschwindet der Gegner nach Norden, so dass es zu keinem Luftkampf mehr kommt.

11.30 Uhr. Aus den knackenden Störgeräuschen im Äther dringt plötzlich eine klare Stimme : « Motor brennt ! »

Auf dem Gefechtsstand fragt man zurück : « Wessen Motor brennt ? Was ist los ? » « Von Elbe 1. Haben starke Rauchentwicklung in der Kabine. Ich kann nichts mehr sehen. » Elbe 1 ? Um Himmels Willen, das ist ja Marseille ! Ein Blick auf die Karte. Noch fünf Minuten bis zu den eigenen Linien, vielleicht noch 40 Kilometer.

In 3000 Meter Höhe fliegt die 3. Staffel unterdessen eng geschlossen und alle Augen starren auf die gelbe « 14 ». Schlang und Pöttgen sind nur wenige Meter neben Marseille. Sie erkennen deutlich sein Schneeweiss wirkendes Gesicht hinter der glitzernden Kanzel. Jetzt reisst er mit der linken Hand die Entlüftungsscheibe zurück. Weisser Qualm strömt heraus. « Sind wir schon über den eigenen Linien ? Ich kann nichts mehr sehen. » « Noch zwei Minuten, Jochen ! » kommt die ruhige Antwort von Pöttgen. Man gibt ihm Anweisungen. « Elbe 1, mehr rechts halten ! » Und von unten fragende Stimmen : « Werden Sie es schaffen, Elbe 1 ? Steigen Sie lieber aus ! »

An Marseilles Maschine zeigt sich jetzt eine vom Motorvorbau ausgehende weissliche Rauchfahne. Sie wird stärker. Jedoch keine Flammen. Das Flugzeug verliert ständig an Höhe.

11.35 Uhr. Die weisse Moschee von Sidi Abd El Rahman mit ihrem Halbmond auf der Kuppel liegt unter ihnen. Die deutschen Linien. Marseille schafft es ! Aus den Stellungen heraus verfolgen die Soldaten den Jägerschwarm mit den Ferngläsern. Jetzt sehen sie auch, wie kleine Flämmchen aus dem Motor der rauchenden Messerschmitt herauszüngeln. Kommodore Neumann sieht die Männer im Gefechtsstand erleichert an.

« Jetzt sind Sie über El Alamein ». Nun kann nicht mehr viel passieren, denken sie. Höchstens eine Bauchlandung.

Eine Minute später ruft Marseille mit gepresster Stimme. « Ich muss raus. Ich halte es nicht mehr aus ! » Dann ein anderer : « Er legt die Maschine aufs Kreuz ! » « Der Jochen ist raus ! » Das ist Pöttgen.

Die Sekunden vergehen. Unruhig warten die Männer im Gefechtsstand. Lauschen. Jetzt eine brüchige Stimme im Äther : « Er ist tot ! » Ringsherum verbreitet sich lähmendes Entsetzen. Totenblass legt Edu Neumann die Kopfhörer weg. Blickt in die aufgerissenen Augenpaare der anderen. Er nickt stumm und geht hinaus.

Später erfahren sie, was sich da oben abgespielt hat. Als die Messerschmitt die deutschen Linien überfliegen, wirft Marseille das Kabinendach ab und legt seine Maschine in einer halben Rolle auf den Rücken. Sie scheint leicht zu schwimmen, geht sofort in einen steilen Gleitflug über. Etwa 200 Meter stürzt sie, dann spring Marseille ab. Sein Fallschirm öffnet sich nicht. Fast waagerecht fällt der Körper hinab und schlägt bäuchlings auf. Entsetzt und ungläubig zugleich verfolgen die Kameraden diesen Vorgang. Mehrmals umkreisen sie die Unglücksstelle.

Vielleicht mehr noch bestürzt als alle anderen ist Fallschirmwart Paul Geisinger. Der Schirm, den er gefaltet hat, öffnete sich nicht. Er wagt nicht, weiterzudenken.

Stabsarzt Dr. Winkelmann und Hauptmann Franzisket holen den toten Marseille aus der Wüste. Sie stellen fest, dass der Auslösegriff des Fallschirmes nicht betätigt wurde. Quer über die linke Brustkorbhälfte verläuft eine scharfe Schlagwunde. Sie kann nicht vom Aufschlag auf den Boden herstammen.

Beim Absprung schlug Marseille gegen das Leitwerk seiner Maschine. Er musste sofort besinnungslos gewesen sein. Die Bf 109 war bereits aus den Rückenlage in den Sturzflug übergegangen, eine Fluglage, die Marseille durch die Sichtbehinderung infolge der Qualmentwicklung nicht erkannt hatte. Sicher hätte er sonst leicht ausgleichen können.

Schreiber Neumann nimmt die letzten Eintragungen im Flugbuch des gefallenen Staffelkapitäns vor : « 388 Feindflüge mit 158 Abschüssen. Laufende Nummer des Fluges : 482. Flugdauer 49 Minuten ». In der Spalte « Zeit der Landung » macht er ein enfaches schwarzes Kreuz.

Tagesbefehl

Am 30.9.1942 ist Hauptmann Marseille, unbesiegt vom Feinde, den Fliegertod gestorben. Es will uns nicht einleuchten, dass dieser frische und frohe und tapfere Jagdflieger unseres Geschwaders nicht mehr unter uns sein soll. Einmalig sind seine Erfolge über unseren zähesten Luftgegner - den Engländer. Wir dürfen glücklich und stolz sein, ihn als einen der unsrigen zu zählen. Die schönsten Worte vermögen nicht das auszudrücken , was dieser Verlust für uns bedeutet. Er hinterlässt uns die Verpflichtung, ihm nachzueifern als Mensch und Soldat. Sein Geist wird dem Gerschwader immer Vorbild bleiben.

Der Geschwaderkommodore m.d.W.d.G.b. Neumann Major